Wenn es um Unternehmenskommunikation geht, sind Influencer nach wie vor das Thema der Stunde. Blättert man sich durch die einschlägige Fachpresse für Kommunikation, wird man zwangsläufig mit der Bezeichnung „Influencer Relations“ konfrontiert. Zunächst als kurzlebiger Trend der Kids belächelt, hat sich das Thema zum beliebten und nicht mehr wegzudenkenden Dauerbrenner in deutschen und internationalen Marketingabteilungen gemausert.
GESCHRIEBEN VON
Johst Klems ist geschäftsführender Gesellschafter der Düsseldorfer Social-Media- Content- und PR-Agentur earnesto, die 2015 gegründet wurde. Klems beschäftigt sich in seiner gesamten beruflichen Laufbahn mit der Beziehung von Marken und Konsumenten – vorzugsweise in digitalen Medien. Seine Fokusgebiete: Kommunikationsstrategie, Social Media, Content und Influencer Relations. Der studierte Medienökonom zeigt Marken und Unternehmen die Chancen in der sich stetig verändernden Social Media Welt auf, diese Art der dialogischen Kommunikation zielgerichtet und effektiv einzusetzen. Zudem hat er sich 2022 zum zertifizierten Business Coach ausbilden lassen, um ein besserer Unternehmer zu werden und andere Führungspersönlichkeiten menschlich und inhaltlich zu begleiten.
Influencer Relations – Die Social-Media-Superkraft
Geschrieben von Johst Klems
Warum mehr Firmenchefs zu Influencern werden sollten
Gehen wir dem Phänomen einmal auf den Grund: Wir leben in einer Welt, in der Medien als solche kaum noch zu erkennen sind. Neben den traditionellen Verlagshäusern und anderen Medienkonzernen mit ihren Publikationen ist es heute ausnahmslos jedem Menschen möglich, in diesem Markt mitzumischen. In einer Zeit, in der ein jeder im Handumdrehen eine Webseite erstellen kann, in der sich mit einem Telefon gestochen scharfe Videos produzieren lassen, die sofort „auf Sendung“ gehen könnten und in der sich Milliarden von Menschen in einem gigantischen Netzwerk versammeln, sich gegenseitig verbinden und miteinander kommunizieren, steckt in JEDEM von uns ein Medium.
Das wertvollste Gut eines Mediums ist seine Reichweite
Dies haben vorwiegend die jungen Leute erkannt und in kürzester Zeit das wohl Wertvollste eingesammelt, was ein Medium zu bieten hat – Reichweite. Influencer generieren heute teilweise mehr Follower, also Menschen die aktiv die Inhalte der Influencer konsumieren wollen, als so mancher TV-Sender. 2 Millionen Follower sind heute längst keine Seltenheit mehr. Postet der Influencer auf Instagram ein Bild, welches eine bestimmte Botschaft enthält, so wird diese Botschaft eine relevante, enorm große Menschenmasse ansprechen. Egal, welche Botschaft gesendet wird – sie wirkt! Denn Menschen folgen anderen Menschen nicht aus Antipathie. In der Regel mögen sie die Leute, deren Inhalte sie sich regelmäßig anschauen. Und dabei ist es völlig irrelevant, ob es um Fashion-Tipps oder Urlaubsbilder aus Mexico geht: 2 Millionen Menschen haben sowohl das Outfit, als auch Mexico als empfehlenswertes Urlaubsland gesehen und diese Botschaft von einer ihnen sympathischen Person (und daher positiv gestimmt) aufgenommen.
Jeder Mensch kann zu einem Multiplikator werden
Steigende Abverkaufszahlen und positive Auswertungen von Markenkooperationen mit Influencern beweisen, dass das Prinzip wirkt. Immer mehr Marken kooperieren daher mit Influencern, bringen eigene Produktlinien heraus und ersetzen, bzw. ergänzen die klassische Werbung durch diese neue Form der Kommunikation.
Reichweite und Zugang zu Menschen ist eine besondere Kraft, die in jegliche Richtung wirken kann. Bei Marken-Influencern reden wir über Kommunikation und Marketing – bei einem gewissen Präsidenten reden wir über politischen Einfluss. Die Mechanismen sind ähnlich, die Inhalte völlig unterschiedlich. Eines ist allerdings völlig gleich: Menschen brauchen keine Multiplikatoren mehr, sie können selbst zu einem werden. Legen wir diese Kernaussage zu Grunde, ist es erstaunlich, wie wenige Firmenchefs sich dieses Prinzip zu Nutze machen. Schaut man sich die einschlägigen sozialen Netzwerke an, findet man kaum CEOs, welche die sozialen Medien für sich entdeckt haben und wirklich Einfluss ausüben. Dabei wäre doch gerade das besonders spannend! Stellen wir uns vor, die Entwicklung einer neuen A-Klasse würde Social-Media-seitig von Dieter Zetsche, dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, begleitet.
Auf Instagram, Twitter und Co. würde er eine jüngere, digitalaffine Zielgruppe mit Bildern und kurzen Statements direkt aus dem Produktionsprozess versorgen, ihnen einen Blick „hinter die Kulissen“ gewähren und auf diese Weise die potentiellen Kunden mitnehmen auf eine spannende Reise – „Wie eine Idee vier Räder bekam“. Natürlich könnte auch ein TV-Spot auf die neue A-Klasse aufmerksam machen. Das persönliche Involvement des Nutzers, der sich gefühlt aktiv am Entwicklungsprozess beteiligt hat, wird jedoch deutlich größer sein, die Bereitschaft, das Auto zu kaufen, umso höher sein.
Identifikation schafft Vertrauen
Der Mensch ist ein soziales Wesen, welches anderen Menschen eher vertraut, als TV-Spots oder abstrakten Marken. Würde man, sozusagen aus der ersten Reihe, erleben und nachvollziehen können, welche Entscheidungen im Entstehungsprozess eines Produktes getroffen werden, hätte dies zur Folge: Die Leute würden diskutieren, klagen, jubeln und bewerten. Sie würden sich aktiv einbringen und ihre persönliche Meinung kundtun. Genau so, wie es sonst auch im Social Web zugeht – höchst emotional, impulsiv und schonungslos! All das führt zu Identifikation – dem Schlüsselbegriff der Influencer Relation. Identifikation mit Themen, die sich auf die Zuhörer projizieren. Eine Kraft, die jedoch heute von einem großen Teil der Wirtschaft (noch) nicht genutzt wird. Natürlich würde Herr Zetsche nicht jedes Detail berichten können und selbstverständlich gibt es auch noch die Mitbewerber, die mit Adleraugen die Berichterstattung verfolgen würden. Allerdings ist der Gewinn für das Unternehmen um ein Vielfaches größer, als das Risiko, welches es zu berücksichtigen gilt.
Influencer Relation birgt Potenzial von unschätzbarem Wert
Das englische Wort „Follower“, welches die Menschen bezeichnet, die einem Kanal „folgen“, bedeutet so viel mehr, als wir es im ersten Moment verstehen. Die Menschen folgen anderen Menschen und bauen eine Beziehung auf. Eine Beziehung, die in einer Welt voller Alternativen und schier unendlicher Auswahlmöglichkeiten so unglaublich wertvoll ist. Daher gilt: Egal, ob Konzernchef, Mittelstandschef oder Freelancer – Influencer Relation ist nicht nur ein Kanal, welcher eingekauft werden kann, so wie es heute in der Regel diskutiert wird, sondern birgt eine enorme Chance für Unternehmer, nahbarer und transparenter für die Kunden und potentiellen Kunden zu werden.
Die eigenen Markenkanäle anzureichern mit Kanälen von leitenden Mitarbeitern und Firmenchefs ist eine Art, zu kommunizieren, die heute noch sehr wenig genutzt wird – ein Potenzial von unschätzbarem Wert, welches brachliegt. Ein solcher Prozess erfordert Umdenken und eine Umstrukturierung von PR-Abteilungen, eine Optimierung von Job Descriptions und eine Weiterentwicklung von Mindsets – aber es lohnt sich! Professionell die eigene Reichweite aufbauen, Unabhängigkeiten von externen Medien schaffen und eine ehrliche Beziehung zum Kunden aufbauen wird das Ergebnis sein.
Top-Karriere durch Top-Community?
Auf dieser Basis lohnt sich ein Blick in die Glaskugel zum Thema Unternehmenskommunikation: Die „High Potential“-Generation, die gerade die Unis besucht und nach und nach auf den Arbeitsmarkt drängt, wird spannende Veränderungen im Gepäck haben. Sie leben das Thema „persönliche Kanäle“ in der Regel schon jetzt sehr intensiv und streben nach persönlicher Reichweite auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen. Je mehr Reichweite der Bewerber hat, desto mehr kann ein Unternehmen genau diese Potenziale nutzen. Somit ist es denkbar und sehr wahrscheinlich, dass nicht nur die Fähigkeiten oder die Abschlussnote über den Karriereweg entscheiden, sondern auch die Anzahl der Follower, die der oder diejenige in den Joballtag mit einbringt. Jeder Mitarbeiter kann zum Medium für seinen Arbeitgeber werden. Umso wichtiger ist das Vorleben einer Leitkultur, die den persönlichen Kontakt zu Menschen im Unternehmen zulässt.
Influencer Relation ist also nur ein Vorbote für das, was uns in den nächsten Monaten und Jahren erwartet und gibt einen Ausblick darauf, wie sich unsere Arbeitswelt verändern wird. Fakt ist: Schon jetzt verändert dieses Prinzip unsere Welt. Denkt man weiter, werden diese Veränderungen noch tiefgreifender. Grund genug, sich dem Thema zuzuwenden und es für die heutige Kommunikation und mehr noch für die Unternehmenskommunikation von morgen sehr ernst zu nehmen – sowohl als Firmenchef eines Bluechip-Unternehmens, als auch als Chef aus dem Mittelstand.