Angelika Niere

GESCHRIEBEN VON

Dr. Angelika Niere
Marketing Managerin
Von 2009 – 2021 war Dr. Angelika Niere Referentin und Content Managerin des BIEG Hessen. Heute ist sie Marketing Managerin der Ovalo GmbH in Limburg an der Lahn. Die Spezialität der Marketing-Allrounderin und promovierten Germanistin sind Strategien, Storytelling und die einfache Präsentation komplizierter Sachverhalte. Sie hat über 200 Fachartikel zu allen Themen des Online-Marketing geschrieben

13 großartige Content-Marketing-Beispiele für kleinere Unternehmen

Geschrieben von Angelika Niere

Content Marketing

Wer Content-Marketing erklärt, steht immer wieder vor demselben leidigen Problem: Er will die Unternehmer ermutigen, sich selbst neue, innovative und individuelle Content-Strategien auszudenken. Deshalb kann er keine Anleitungen zur Nachahmung geben. Das würde ja dem Sinn der Sache widersprechen! Die Lösung? Wir stellen Ihnen einfach genug Beispiele für gelungenes mittelständisches Content-Marketing vor, dass Sie einen Überblick über die Bandbreite der Möglichkeiten verschaffen und sich wirklich inspirieren lassen können! Ist etwas dabei, das sich für Ihr Unternehmen adaptieren lässt?

1. Beispiel Softwareanbieter: "Have you tried turning it off and on?"

Das US-amerikanische Unternehmen Glance vertreibt Software, die die interne Kommunikation im Unternehmen via Screensharing, Remote Desk und Video Call erleichtert. Es stellt den Nutzen seiner Lösungen in einem humorvollen YouTube-Video vor, das zeigt, wie IT-Support typischerweise abläuft, wenn Glance noch NICHT im Einsatz ist. Das Leben als IT-Support-Mitarbeiter ist hart und bietet die Grundlage für sardonische Witze, seit es IT gibt. Das Video von Glance fügt sich somit in eine lange Tradition lustiger YouTube-Videos rund um das Thema ein. Und wer schaut diese Videos? IT-Mitarbeiter – also genau die Zielgruppe, an die Glance verkaufen will. Ein Beispiel für gelungenes Content-Marketing im B2B-Umfeld, wie es im Buche steht!

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2. Beispiel Musikverlag: "Shit, es weihnachtet wieder…"

Ein Verlag für klassische Musik bietet tausende Produkte an – für alle Instrumente, für einzelne Musiker über Quartette bis zu Orchestern, in allen Variationen und aus allen Epochen. Im neuen Onlineshop muss der Besucher fähig sein, die Noten so zu filtern, dass nur genau die Angebote übrig bleiben, die er gerade brauchen kann. Dem Verlag bleibt keine Wahl: Er muss in minutiöser Kleinstarbeit all seine Artikel verschlagworten.

Warum die Automatisierung der Suche nicht gleich für Serviceangebote mitnutzen? Jahr für Jahr stehen zehntausende deutsche Kirchenchordirigenten vor der Frage, wie sie ihr Weihnachts- oder Osterkonzert aufbauen sollen. Was passt, was passt nicht? Auf diesem Level geht der Dirigentenschein nicht mit einem Musikstudium einher. Die Hobbymusiker haben nie gelernt, was ein harmonisches Kirchenkonzert ausmacht. Wie praktisch, wenn sie mit ein paar Klicks auswählen können: einmal bitte 1 vierstimmiger gemischter Chor, 1 Streicherquartett, 1 Orgel. Anlass: Weihnachtskonzert, Stimmung: traditionell, Format: Konzertpaket. Et voila: Automatisch wird ihm ein Komplettvorschlag passender Musikstücke ausgegeben. Natürlich gleich mit Kaufoption und passender Lizenz. Und mit einem Klick ist er im Warenkorb.

3. Beispiel Eissalon: Build your own ice cream sandwich… in 35 Sekunden

Die US-amerikanische Eiscremekette Jeni’s verfügt zwar über ein bisschen mehr Budget und Mitarbeiterstärke als ein typisches kleines oder mittleres Unternehmen, aber eines ihrer Contentformate ist schnell und unaufwendig reproduzierbar: ein Zeitraffervideo. Es zeigt einen völlig alltäglichen, authentischen kleinen Ausschnitt aus dem Alltag im Eiscremeladen: Ein Eiscremesandwich wird zusammengestellt. Das Ganze im Zeitraffer mit ein bisschen fröhlicher Musik – und fertig ist das Contentvideo. Ein kleiner Hinweis am Laden könnte jetzt noch auf den YouTube-Channel hinweisen, so dass die Wartenden in der Schlange sich die Zeit mit dem Video vertreiben können – das übrigens auch zugleich interessant für Kunden, die sich über die Hygiene hinter den Kulissen Sorgen machen, gerade zu Zeiten von Corona, auch wenn es ja zurzeit nicht gerade nach Sommer aussieht, wenn man aus dem Bürofenster schaut.

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Das Format eignet sich keineswegs nur für Unternehmen mit „sexy“ Angeboten: Es spricht Einkäufer von Industrieteilen ebenso an wie Massagepatienten, Kunden von Innenarchitekten und Interessenten, die sich im Etsy-Shop ein individuelles Schmuckstück anfertigen lassen wollen.

4. Beispiel Tourismus: Vier Zimmer, Küche, Stall

Die 2011 gegründete Chez Cliché Tourismus GmbH hat sich auf die Vermietung von Luxusapartments an Wiener Touristen spezialisiert. Jede der hochindividuellen Unterkünfte wird auf der Website von einem fiktiven Gastgeber vorgestellt. Die Produktpräsentation wird zum Storytellling: Raul war früher Jockey, ist dem Reitsport noch immer verbunden und sammelt in „seinem“ Apartment Trophäen und Andenken an seine aktive Zeit. Im Regal stehen Bücher über die fünf Gehminuten entfernte Spanische Hofreitschule. Raul empfiehlt aber auch den Besuch der Wiener Hofzuckerbäckerei, Kleidungsgeschäfte für hochwertigen Tweed und sein Lieblingskaffeehaus.

Design- und Musikfan Beat stellt derweil seine Schallplattensammlung vor, lädt zur Nutzung seiner Multimedia-Antiquitäten ein und kennt die besten Tanzlokale, in deren unmittelbarer Nähe er lebt. Der Effekt: Sofort verbinden die Interessenten die Wohnungen mit Gefühl und Leidenschaft, können ihre Vor- und Nachteile einordnen und sich erheblich besser an das Angebot erinnern. Der Aufenthalt gestaltet sich persönlicher und fühlt sich mehr wie der Aufenthalt bei Freunden, weniger wie ein steriles Büro an.

5. Beispiel Socken-Abonnement: Socken gut, alles gut

Als der Schweizer Sami Liechti 1999 den Plan fasste, schwarze Socken im Abo zu verkaufen, runzelte wahrscheinlich mehr als ein Gründerberater skeptisch die Stirn. Heute gilt er als einer der Pioniere des Abo-Commerce-Business, sollte aber eigentlich genauso als Content-Marketing-Pionier gelten. Denn sein Geschäftserfolg liegt nicht im Produkt begründet, sondern in seiner Präsentation. Jede Sockenlieferung an den Abonnenten wird individuell zelebriert, z.B. mit dem Slogan: „Lieber Steinpilz statt Fußpilz“, der kostenfreien Dreingabe einer Steinpilzsuppe in der Dose und eine Liste mit Tipps gegen Fußpilz. Content Marketing und Produktlieferung werden eins.

6. Beispiel Reitstall: Pfeeeeerde!

Waren Sie als Kind vielleicht das Ponymädchen? Das Mädchen, auf dessen Ranzen Pferdesticker kleben, die auf dem Schulhof Pferd spielen will und Pferde-Trivia ohne Ende abspult? Wenn Sie es nicht selbst waren, haben Sie wahrscheinlich eines gekannt. Zahlreiche Kinder durchlaufen eine Pferdephase und wären nach der ersten Reitstunde am Liebsten den ganzen Tag im Stall. Eine Reitschule hat sich das zunutze gemacht: Via Webcam auf die Hausweide können die Kinder den ganzen Tag lang auf dem Handy nachsehen, wie es dem Liebling gerade geht. Dann wird natürlich eifrig mit den Freundinnen geteilt: „Guck mal, das ist die Sunny! Die hab ich letzte Woche geritten.“ Die Pferdebegeisterung wird gefüttert und die Kinder haben noch mehr Spaß. Die kostenlose Werbung ist natürlich auch ein schöner Nebeneffekt.

Next-Level wäre die Einbindung der Cam auf YouTube, so dass Menschen auf der ganzen Welt hereinschauen, wenn nicht sogar den beruhigenden Stream im Hintergrund auf dem Smart TV laufenlassen können. Spätestens dann sollten aber auch Sicherheitsfragen abgeklärt werden: Man will ja nicht versehentlich Einbrechern verraten, wann keiner zuhause oder die Sattelkammer unbewacht ist.

7. Beispiel Gartenbedarf: Die alternative Verwendung von Pflanzensamen

Kennen Sie ASMR? Die sogenannte „Autonomous Sensory Meridian Response“ beschreibt einen automatischen Entspannungsreflex, der durch bestimmte Sinnesreize ausgelöst wird und vielen Menschen bei Entspannung oder Einschlafen hilft. Auf YouTube sind mittlerweile tausende ASMR-Videos zu sehen, die minutenlang Flüster- und Klackergeräusche abspielen oder in denen jemandem die Haare gekämmt werden. Der in den USA schon lange populäre Trend schwappt jetzt auch nach Deutschland. Das hat sich Hornbach sogleich zunutze gemacht und anderthalb Minuten lang mit Pflanzensamen gespielt:

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8. Beispiel Gesundheitsbranche: Dr. Stefan Frank 2.0

Das Krankenhaus macht Content-Marketing? Das ist im Kliniksektor gar nicht mehr so selten, wie Außenstehende meinen mögen, und das auch nicht erst seit der Krise. Im Zuge des sogenannten „Sprechstunde 2.0“-Projekts bietet das Klinikum Dortmund schon länger Livechats mit Experten an, während denen Fragen gestellt und Informationen über Krankheiten eingeholt werden können. Das spricht besonders all jene an, die Berührungsängste mit Gesundheitsthemen haben und Arztbesuche so oft wie möglich meiden. Die Schwellenangst ist niedriger als beim Besuch des Krankenhauses, und im Anschluss wirkt auch der nicht mehr ganz so bedrohlich. Natürlich ist auch eine Menge Convenience im Spiel – die Live-Sprechstunde ist halt einfacher als der Praxisbesuch. Und zuletzt lesen viele auch aus Neugierde mit. Viele der Videos haben sehenswerte Views im fünfstelligen Bereich.

9. Beispiel Popkultur und Fachwissen: Beliebteste Influencerin 2018: Katniss Everdeen

Wenige Produkte generieren mehr begeisterte Konsumenten als Filme. Wer in den sozialen Medien den Mund über Herr der Ringe, Matrix oder Die Tribute von Panem öffnet, kann sich eines großen, wohlgesinnten Publikums sichersein. Auf YouTube sind Filmreviews und satirische Filmkommentare ebenso verbreitet wie fachliche Analysen von Soundtracks oder Auswertungen der Geschlechterverteilung im Ensemble. Auch immer ganz vorne dabei: Expertenbewertungen. Die Bewertungen der Serien House oder Emergency Room durch echtes medizinisches Personal sind so populär, dass sich mehrere Channels etabliert haben, die nichts anderes machen.

Ebenso spannend sind jedoch Waffenexperten, Survival-Experten, Experten für Körpersprache, Experten für Sicherheit. Physiker bewerten explodierende Autos und Weltraumschlachten, Chemiker die Arbeit ihrer fiktiven Kollegen. Anwälte mit den unterschiedlichen Fachgebieten haben über erstaunlich viele Szenen in Filmen etwas Relevantes zu sagen. Es muss nicht immer gleich etwas in die Luft gehen! Soll doch mal ein Finanzexperte einen Blick auf Wolf of Wallstreet werfen, ein Kasinoleiter die Ocean’s Filme auseinandernehmen, ein Stadtplaner die Heimatstadt von Thor begutachten… Erst gestern habe ich ein Video gesehen, in dem Paarberater die Beziehungen von Disney-Prinzessinnen kritisierten. Alles, was Sie brauchen, ist ein williger Mitarbeiter, und dann Kamera: ab! So haben sich schon etliche Unternehmen auf YouTube profiliert – sei es in Eigenregie oder zu Gast beim Influencer-Vlog.

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10. Beispiel Virale Trends: It Gets Better

Erinnern Sie sich an die „It Gets Better“-Kampagne? Es begann alles mit dem Selbstmord eines amerikanischen Teenagers, der seiner sexuellen Orientierung wegen zum Mobbingopfer wurde. Ein schwules Pärchen wandte sich danach per YouTube an Jugendliche in ähnlichen Situationen und trat eine Lawine an „It Gets Better“-Nachrichten aus der ganzen Welt los – insgesamt über 70 000. Viele Beiträge stammten von Celebritys und Politikern. Doch wo sonst Unternehmen unter dem Generalverdacht stehen, sich der Eigenwerbung wegen einzumischen, war ihre Teilnahme diesmal ausgesprochen willkommen. Immerhin bringt die Solidarität von (potentiellen) Arbeitgebern am Ende mehr konkreten Nutzen als die von Neil Patrick Harris oder dem Bischoff von New Hampshire. Beteiligt haben sich neben Google Inc., dem McKinsey-Institut, Random House oder Gap auch zahlreiche mittelständische Unternehmen mit lokalem Einzugsbereich.

11. Beispiel Virale Challenges: Brrrr, so kalt…!

Bei der Ice-Bucket-Challenge hatten wir es mit einem ganz ähnlichen Fall zu tun. Dabei handelte es sich um eine Awareness-Kampagne für die Krankheit ALS. ALS ist eine Krankheit des motorischen Nervensystems, die spastische Lähmungen auslöst. Wer den Kopf abrupt in Eiswasser taucht, bekommt einen Eindruck davon, wie sich diese Lähmungen anfühlen. So wurde die Ice-Bucket-Challenge – also die Eis-Kübel-Herausforderung – ins Leben gerufen. Die Teilnehmer ließen sich auf YouTube dabei filmen, wie sie mit einem Eimer Eiswasser übergossen wurden. Dann nominierten sie Freunde und Bekannte und forderten sie heraus, sich derselben Prozedur zu unterziehen. Im Anschluss spendete jeder zehn US-Dollar an die ALS Association. Innerhalb von anderthalb Monaten wurden so über 90 Millionen Dollar gespendet. Auch hier konnten sich viele Unternehmer durch ihre Teilnahme profilieren.

Wer in seinem Video seine Spende erwähnte, dem wurde auch nicht so schnell unterstellt, dass er die Challenge als Werbemaßnahme ausnutzte. Viele Großunternehmen wurden sehr kreativ: Als der CEO von Coca Cola McDonalds nominierte, schickte die Fast-Food-Kette ihr Maskottchen Ronald McDonald vor die Kamera. Ronald nominierte alle Rothaarigen zur Teilnahme. Samsung machte gerade Werbung mit dem wasserdichten Galaxy S5. Der Konzern veröffentlichte ein Video, in dem sich ein animiertes Handy der Challenge unterzog und das iPhone herausforderte, dasselbe zu tun. Auch kleinere Unternehmen führten vor, was mit ihren Produkten passiert, wenn sie mit Wasser überschüttet werden. Aber den Zuschauern bereitete es auch bereits ein großes Vergnügen, den Geschäftsführern bei der Challenge zuzusehen. Die distinguierten Krawattenträger zeigten Mut zur Selbstironie, wenn sie ihre schönen Anzüge ruinierten, und rückten ihre Marken in ein positives Licht.

12. Beispiel Uhrenverkäufer: Das ist keine Uhr

Ein Bild von einer Uhr ist keine Uhr. Das weiß auch der Uhrenmacher Botta Design aus Königstein und gewann – unter anderem für diese Erkenntnis – den Hessischen Website Award 2016. Denn es besteht eben doch ein Unterschied darin, ob ich die Designeruhren im Laden in die Hand nehme oder im Onlineshop aussuche. Das kompensierte Botta Design im Onlineshop erst einmal mit buchstäblich tausenden hochaufgelösten Produktbildern, die die Uhren wirklich von allen Seiten inszenierten. Besonders smart ist die Möglichkeit, einen Umriss der jeweiligen Uhr in Originalgröße auf einem Blatt Papier auszudrucken. So können Interessenten sich die Blaupause um den Arm legen und überprüfen, ob die Uhr ihrer Wahl wirklich zu ihnen passt. Das wirkt sich außerordentlich gut auf die Verkaufsrate aus.

13. Beispiel Autovermietung: Deutschland wählt, die Angie macht’s

Wer sich traut zu provozieren, wird mit Aufmerksamkeit belohnt. Ob Unternehmer es sich in ihrer Situation und Branche leisten können, auch mal vor den Kopf zu stoßen, muss jeder selbst entscheiden. Doch provokante Inhalte bleiben den Leuten garantiert in Erinnerung. Sie haben in den vergangenen Jahren sicher mitbekommen, dass der Smoothie-Anbieter true fruits immer wieder mit Werbespots Schlagzeilen machte, die als geschmacklos, anzüglich oder sogar rassistisch eingeschätzt wurden. Ein gutes Beispiel ist auch die Autovermietung Sixt – ebenfalls bekannt für ihr Guerilla-Marketing. Als der Präsident des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen vor zwei Jahren in die Kritik geriet, reagierte Sixt auf Twitter mit einem Bild, das Maaßen und einige Mietwagen zeigte. Die Beschriftung: „Beförderung auf Knopfdruck: Auch bei Sixt.“ Im Jahr davor hatte Sixt schon in einem Video namens „Mutti am Steuer“ über die Probleme der Bildung einer Großen Koalition hergezogen. Hören wir doch mal kurz rein:

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Wer Politiksatire macht, gibt dabei natürlich auch viel über die politische Einstellung preist. Das können sich also nur Unternehmen leisten, die bereit sind, sich politisch zu positionieren.