Marketing-Automation ist derzeit ein Trendbegriff in Marketing-Abteilungen aller Branchen. Dabei ist das Automatisieren von der E-Mail-Kommunikation keine wirklich neue Idee, denn Event- sowie Trigger-E-Mails sind schon lange Bestandteil eines jeden E-Mail-Marketing-Versandsystems.
GESCHRIEBEN VON
Was ist (E-Mail-)Marketing-Automation?
Geschrieben von Olga Süss
Das richtige Aufsetzen von Marketing-Prozessen hat sich aber durch die immer größer werdende Kanallandschaft verkompliziert und oft reichen ‚bloße‘ E-Mail-Versandsysteme mittlerweile nicht mehr aus, um alle Marketing- und vertriebsrelevanten Prozesse des Unternehmens abzubilden. Marketing-Automation-Tools hingegen bieten meist mehr als nur den Versand von E-Mails, denn sie vereinen E-Mail, Social Media, Landing Pages, Lead-Formulare mit einer oft CRM-fähigen Datenbank (z.B. Evalanche, HubSpot, Mautic). Damit liefert der Einsatz von Marketing-Automation einen klaren Vorteil in Unternehmen unabhängig von ihrer Größe. Einmal mit einem Initialaufwand aufgesetzt, laufen Prozesse komplett automatisch ab, sodass nicht mehr manuell eingegriffen werden muss. Das erspart Kosten und für kleinere Unternehmen vor allem wertvolle Zeit.
Der Einsatz von Marketing-Automation-Systemen bedarf einer strukturierten Bedarfsanalyse und Planung. Nicht alle Systeme – genauso wenig wie alle Kanäle – sind für alle Prozesse, Zielgruppen, Branchen und Ziele relevant. Das A und O ist ein sauberer Prozess-Aufbau anhand z.B. eines EPK- (ereignisgesteuerten Prozessketten) oder BPMN- (Business Process Model and Notation) Diagramms, das alle Entscheidungsfragen durch Gateways, Aufgaben und Objekte modelliert.
Die Modellierung erzwingt das Durchdenken des Prozessaufbaus und ultimativ auch das Ziel der Automatisierungsprozesse. Sollen Warenkorbabbrecherinnen zum Kauf bewegt werden? Oder ein zum vorher gekauften Objekt passender Artikel angeboten werden (Cross-Selling)? Oder soll das Interesse einer Kundin basierend auf ihrem Verhalten „entwickelt“ (Nurturing) oder gar die Kaufbereitschaft ermittelt und zum richtigen Zeitpunkt die Vertriebsmitarbeiterin automatisch eingeschaltet werden?
Mit der Zielfrage im Hinterkopf wird man beim Prozessaufbau an einige Gateway-Fragen stoßen, die beantwortet werden wollen:
- Zielgruppen: Wer sind die Leute, die ich ansprechen möchte und welche Eigenschaften haben sie?
- Daten: Welche Information muss ich in meinem Datenpool vorfinden, um Zielgruppen effektiv bauen zu können?
- Inhalt: Welcher Content ist für die diversen Zielgruppen relevant?
- Zeitpunkt: Wann soll was automatisch ausgestoßen werden?
- Systemlandschaft: Auf welchen Kanälen wird kommuniziert und welche Systeme brauche ich im Hintergrund?
Ein relativ simples, aber seit Eintritt der DSGVO notwendiges Praxisbeispiel für einen einfachen Automatisierungsprozess ist das Double-Opt-In (DOI). Der DOI-Prozess ist die rechtliche Sicherstellung, mit Ihren Kundinnen z.B. über den Kauf hinaus, d.h. unabhängig von steuerrechtlich relevanten Kaufdaten persönlich und datenbezogen zu kommunizieren, und bietet vergleichsweise wenig kreativen Spielraum. Haben Sie die Einwilligung (Permission) Ihrer Interessentinnen eingeholt, können Sie ihnen endlich für sie relevanten Inhalt ausspielen. Gestalten Sie z.B. eine Nurturing-Strecke, um a) zu erfahren, was für eine Interessentinnen-Gruppe oder Kundinnen Relevanz hat, b) ihnen die Inhalte zu liefern, die für sie tatsächlich interessant sind, und c) ihr Interesse zum Kauf hin zu entwickeln. So fangen Sie an:
Schritt 1: Die Modellierung
Legen Sie den Anfang und das Ziel Ihres automatisierten Prozesses fest. Überlegen Sie, welche Schritte im Prozess notwendig sind und halten Sie jeden dieser Schritte z.B. im BPMN-Diagramm (bpmn.io) fest. Es werden sich automatisch Fragen ergeben: Was passiert? Wann? Welches Tool/welcher Kanal (wer) tut etwas? Wie? Und warum? Diese Fragen sind die Grundsteine eines jeden automatisierten Prozesses. Wenn Sie diese Fragen beim Skizzieren des Prozesses im Detail beantworten können, ist das bereits die halbe Miete.
Schritt 2: Systemlandschaft
Systeme gibt es viele. Allerdings sind nicht immer alle Systeme sinnvoll. Überlegen Sie, welche Systemlandschaft Ihnen zur Verfügung steht, und welches Tool evtl. noch fehlt. Das Ziel ist entscheidend darüber, was gebraucht wird: Wollen Sie ein Formular aufbauen, um eine Newsletter-Registrierung zu verzeichnen, die Permission über einen DOI-Prozess abzufragen, um dann eine personalisierte Nurturing-Strecke zu starten? Dann ist das innerhalb einer Marketing-Automation-Lösung abbildbar. Systeme sind nicht in sich geschlossen, sondern können oft über API-Schnittstellen erweitert und an andere Systeme angebunden werden. Beispiel: Sie nutzen ein CRM-System und würden gern Ihr Marketing-Automation-System anbinden, um jegliche Kundendaten, die Sie bei Kampagnen gesammelt (Lead-Generierung) und entwickelt haben (Lead- und Opportunity-Nurturing) ins CRM-System zu übertragen (und evtl. auch zurück)? Dann kann das CRM-System über die HUB-Engine angebunden werden und Sie können uni- oder bidirektional Daten zwischen Ihren Systemen in Echtzeit synchronisieren. Technisch ist vieles möglich! Überlegen Sie, welche Datenflüsse für Sie bei Ihrer Zielerreichung nützlich sein könnten.
Schritt 3: Prozessaufbau
Sind die theoretischen Fragen geklärt, können Sie jeden der Prozessschritte aus Ihrem Modell wie in einer Bauanleitung nachbauen. Wenn Sie eine Lead-Generierung inkl. DOI-Prozess und eine anschließende Nurturing-Strecke zum Ziel haben, dann werden Sie wahrscheinlich in dieser oder ähnlicher Form folgende Einzelschritte befolgen müssen:
Formularaufbau
Aus Ihrem Marketing-Automation-Tool erstellen Sie ein „Newsletter“-Anmelde-Formular und binden es auf Ihrer Website ein. Das hat den Vorteil, dass die Daten sofort in der Datenbank des Marketing-Automation-Tools einlaufen. Fragen Sie im Formular neben den Basisfeldern (z.B. E-Mail-Adresse) das Interesse und andere Eigenschaften der Interessentin ab und versehen Sie es mit versteckten Feldern (wie z.B. Datum und Zeit und/oder Kategorisierungen), die beim Ausfüllen des Formulars automatisch befüllt werden und die zusätzliche steuerungsrelevante Informationen in den Datenpool einfließen lassen.
DOI-Prozess
Wenn das Formular ausgefüllt wurde und die Daten im Pool landen, wird anhand eines Eindeutigkeitskriteriums (oft E-Mailadresse) geprüft, ob das Profil bereits eine Permission (DOI bestätigt) gegeben ist oder nicht. Hat der Datensatz noch keine Permission gegeben, soll eine Trigger-E-Mail (auch oft DOI-Mail genannt) anhand von Zielgruppenzuordnung ausgestoßen werden, in der über einen personalisierten Link die Einwilligung gegeben werden kann. Die DOI-Mail ist eine einfach gestaltete E-Mail, die nicht werblicher Natur sein darf. Also: keep it simple. Wurde die E-Mail nicht geklickt oder gar nicht erst geöffnet, könnte Ihr Prozess eine Reminder-E-Mail beherbergen, die über eine Eventmail gesteuert wird, und die die Interessentin daran erinnert, dass sie die Einwilligung noch nicht bestätigt hat.
Zielgruppendefinition
Sie haben jetzt die Information, z.B. wann das Formular ausgefüllt wurde, in welcher Region jemand wohnt und welches Interesse die Person hat, und können so verschiedene Zielgruppen bilden, die auf diesen Informationen aufbauen. Die Einordnung Ihrer Kundendaten in Zielgruppen gibt Ihnen die Struktur, die für die Zielgruppe passenden Inhalte anzubinden.
Mailingaufbau
Bauen Sie Mailings innerhalb Ihrer Marketing-Automation auf, die sie mit den verschiedenen Zielgruppen verknüpfen. Wie viele Mailings sollen in welchem Abstand mit welchem Content gesendet werden und wovon sollen sie ausgelöst werden? Die Mailings Ihrer Nurturing-Strecke lassen sich am besten über Eventmailings abbilden. Eine Eventmail ist eine automatisierte Mail, die an eine Zielgruppe angeschlossen ist, und in bestimmten Intervallen prüft (z.B. alle 30 Min), ob jemand in der Zielgruppe gelandet ist. Sobald jemand die Bedingungen der Zielgruppe erfüllt (z.B. „Formular X auf der Seite zum Thema Y wurde ausgefüllt und Permission wurde in den letzten Z Min gegeben“) und hineinfällt, wird eine Eventmail ausgestoßen. Anhand von Eventmails können Sie einen Großteil der automatisierten Kommunikation gestalten. Allein eine einzige davon kann einen hohen Komplexitätsgrad erreichen, wenn Sie alle Content-Bausteine darin verbauen und jeden davon mit einer eigenen Zielgruppe verbinden.
Im Klartext: der einmalige Aufwand des Aufsetzens der Zielgruppen und des dazu passenden Content-Bausteine ist zwar initial höher als das Ad-hoc-Versenden von einzelnen E-Mails oder Posts, sorgt aber nachhaltig zeiteffektiv für die kontinuierliche Kommunikation.
Schritt 4: Personalisierung
Starten Sie Ihre Nurturing-Strecke z.B. mit einer Willkommens-E-Mail, in der Sie sich für das Interesse der Kundin oder den Kauf bedanken, oder begrüßen Sie z.B. neue Newsletter-Interessentinnen mit der letzten Ausgabe Ihres Unternehmensnewsletters, ohne dass sie auf die nächste Ausgabe warten müssen. Legen Sie die nächsten Schwellenwerte fest, wann der nächste Nurturing-Schritt eintritt. Ganz konkret: Was muss gegeben sein, damit die Person das nächste Mailing zugesendet bekommt? Ist es das Öffnen der Willkommens-E-Mail, oder ist es ein Klick auf einen bestimmten Artikel? Das Annehmen einer Event-Einladung? Oder das Herunterladen eines White Papers? Außerdem wissen Sie ja vielleicht schon einiges über die Interessentin oder Kundin anhand der Formular- oder Bestelldaten. Diese Persönlichkeits- sowie verhaltensbasierten Kriterien helfen Ihnen zu ermitteln, in welcher Phase sich die Person gerade befindet und was sie gerade sucht. Hat die Person z.B. einen Artikel bei Ihnen bestellt, bieten Sie einen dazu passenden Artikel in einer nächsten E-Mail oder auf einem anderen Kanal (z.B. LinkedIn) an. Die einzelnen Nurturing-Schritte sollten aufeinander aufbauen, sodass die Person automatisch von einem in den nächsten Prozess-Schritt fällt. Beispiel: Jemand meldet sich für ein Event auf Ihrer Website an. Dann sollte sofort eine Anmelde-Bestätigung versendet werden, ein paar Tage vor dem Event ein Erinnerungsmailing, und nach dem Event ein Dankesmailing oder ein Mailing mit den nächsten Terminvorschlägen. Nutzen Sie auch die Chance, der Person anhand von Variablen und personalisierten Landingpages einen für sie personalisierten Inhalt vollkommen automatisiert und unter Einsatz von Tracking und User-Verhalten-Analyse sogar auf dem geeignetsten Kanal zur passendsten Zeit auszusteuern. Je mehr Informationen Sie haben, desto individueller können Sie Ihre Kommunikation gestalten.
Erfolgsfaktoren in der Kundenbindung
Die Rede ist oft von Buyer-Personae, Content-Strategien, A/B-Tests und Zielgruppensegmentierung, wenn die Erfolgschancen (sprich Öffnungs- oder Klickrate) einer E-Mail erhöht werden sollen. Allerdings sind diese typischen E-Mail-Marketing-Kennzahlen nur ein Teil dessen, was bedacht wird. Oft wird außer Acht gelassen, dass Marketing immer ein Vertriebsziel verfolgt! Ihre Kommunikation wird oft zum Ziel haben, den Lead oder die Opportunity (Verkaufschance) dem Vertrieb zu übergeben – vor allem ist der persönliche Kontakt einer Vertrieblerin mit einer Interessentin erst dann erfolgversprechend, wenn die Interessentin dazu bereit ist. Aber woher weiß man, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist? Überlegen Sie sich, was Ihre Zielgruppe und Produkt – also der Markt – ist und setzen Sie Ihr Vertriebsziel fest. Bauen Sie anhand dessen Nurturing-Strecken, die die Personen zu Ihrem Vertriebsziel hinführen. Nutzen Sie dabei vor allem vorhandene Ressourcen aus, indem Sie Systeme miteinander kommunizieren lassen und Informationen zwischen Marketing-Automation und ERP- oder CRM-System in Echtzeit austauschen.
Weiterführende Literatur:
Marini, Manuel/Bernd Skiera. Bessere Digitalisierung des Vertriebs mit dem MAROPO-Konzept. In: Deutscher Dialogmarketing Verband e.V. (Hrsg.): Dialogmarketing Perspektiven 2017/2018. Tagungsband 12. Wissenschaftlicher interdisziplinärer Kongress für Dialogmarketing. Wiesbaden: Springer Gabler, 2017.
Schüller, Anne M./Norbert Schuster. Marketing-Automation für Bestandskunden. Up-Selling, Cross-Selling, Empfehlungsmarketing: Mehr Umsatz mit der Wasserlochstrategie. Freiburg: Haufe Gruppe, 2017. 1. Aufl.